Was ich von meiner alleinerziehenden Mama gelernt habe
Ich vermisse meinen Papa jeden Tag. Die Zeit heilt diese Wunde nicht, und das ist auch gut so.
Trotzdem möchte ich Euch heute erzählen, was meine Mama und ich aus der Situation gemacht haben und was ich daraus gelernt habe.
Jahrelang habe ich meine Mama überall hin begleitet, zum Vorstellungsgespräch und zum Tanztee. Wir waren beide gemeinsam zum ersten Mal in einer Disco, sie mit 38 und ich mit 9 Jahren. Damit kann ich heute noch angeben. Das alles hat Spaß gemacht und vermittelte mir zudem eine gute Vorstellung vom Erwachsenenleben vor der viele Kinder lange abgeschirmt werden. Alleine tanzen macht mir übrigens bis heute am meisten Spaß (außer mit einer Person, Du weißt wer Du bist).
Wir waren beide oft allein, alleine allein und zu zweit „allein”. Meine Mama hat mir gezeigt wie man alleine für sich sorgen und dem Alltag fast immer ein bißchen gute Laune abtrotzen kann. Alleine für sich ein gutes Essen kochen, alleine in der dunklen Küche tanzen, alleine sich mit einem guten Buch ins Bett legen, auf dem Boden liegend Fernsehen, spazieren gehen, dem Vogelgezwitscher lauschen.
Meine Mama hat mir gezeigt, dass Freundschaften manchmal enger sind als Verwandtschaft und dass Verwandschaft manchmal enger ist als Freundschaft. Unsere engsten Bezugspersonen und Unterstützerinnen waren Freundinnen, vor allem solche in ähnlichen Situationen. Und wenn die Lage wirklich ernst war, war halt doch immer vor allem meine Mama für mich da und ist es bis heute.
Am Beispiel meiner Mama habe ich gelernt, dass Menschen sich unabhängig vom Alter stark verändern, alte Ansichten in Frage stellen und neue, mutige Entscheidungen treffen können. Meine Mama kommt mir nie älter vor, nur manchmal ein bißchen weiser.
Was meine Mama mir auch gezeigt hat war, wieviel ein Mensch alleine schaffen kann. Nicht dass ich ihrem Beispiel nacheifere, dazu war mit ihre Anstrengung zu bewusst, und auch sie selbst hätte sich diese Situation ja niemals ausgesucht. Aber trotzdem reduziert es meine Ängste zu wissen, dass sich von irgendwoher meistens noch ein paar Kraftreserven mobilisieren lassen. Und wenn nicht, ratet mal wer dann da ist — meine Mama!
Heute geht ein dickes Daaankeschön an meine Mama
und ein herzliches „Leckt mich am Arsch” an alle Leute die meinen, alle Mamas sollten zuhause bleiben, alle Leute die meinen, alle Mamas sollten arbeiten gehen, Chefs und Organisationen die einen auf einer Halbtagsstelle drei Viertel des Tages arbeiten lassen, Schulen ohne Aufenthaltsraum und Kantine und alle die „freiwillig” und „unfreiwillig” Alleinerziehende gegeneinander ausspielen wollen. Ihr wisst wer Ihr seid.
Palüdia Grün