Wenn die Wehen nicht das Anstrengendste bei der Geburt sind
Am heutigen Tag schaue ich neidisch auf die Mütter die Blumen oder selbstgebastelte Amulette aus geschmolzenen Joghurtbechern bekommen. Ich selbst bekomme nie etwas zum Muttertag geschenkt, weil ich meiner Familie vor Jahren erzählt habe der Muttertag sei von den Nazis eingeführt worden, was nicht ganz stimmt.
Am heutigen Tag denke ich auch an die Umstände, unter denen mit vor einigen Jahren der Status „Mutter“ verliehen wurde. Wo war damals der Respekt, wo war die Anerkennung, wo war die Selbstbestimmung?
Mit Beginn meiner Schwangerschaft behandelten mich viele Leute auf einmal wieder so wie Kinder leider immer noch oft behandelt werden.
Ärzt*innen, aber vor allem Hebammen fassten mich ungefragt an. Nutzten Überraschung als Mittel um mir Untersuchungen aufzudrängen, die ich zuvor mehrmals explizit abgelehnt hatte. Sagten mir, ich solle auf mein Gefühl hören (was ich tat) und nicht so viel Angst haben (die ich nicht hatte), nur um mir Gefühle aus- und Ängste einzureden wenn ich diesen Rat befolgte. Versuchten mir Geburtsvorbereitungskurse aufzuschwatzen die ich nicht wollte und mir nahezulegen ich sollte mir Mutterschutz nehmen, was ich nicht konnte, ohne mir zu erklären wie ich dies finanzieren soll.
Kund*innen versuchten mich zu Terminen drei Wochen nach der Entbindung zu überreden und mir Termine drei Monate nach der Entbindung auszureden mit dem Argument: „Woher wissen Sie denn jetzt dass Sie danach überhaupt wieder arbeiten wollen?“
Mir unbekannte und bekannte Männer kommentierten mein Aussehen ungefragt, was mir davor schon lange nicht mehr passiert war.
Nach der Entbindung erzählte mir die eine Ärztin mein Kind schreie vor Hunger und die andere, ich stille es zu viel. Eine Hebamme übersah die Gelbsucht meines Kindes weil sie dachte, das sei seine Hautfarbe. Keine Arztpraxis in der Umgebung gab uns einen Termin für eine wichtige Untersuchung, aber viele Ärzt*innen nahmen sich danach die Zeit uns ausgiebig dafür zu tadeln dass wir die Untersuchung nicht gemacht hatten.
Dabei ging es mir vergleichsweise fantastisch! Ich konnte auf die Weise entbinden die ich wollte, in einem nahegelegenen Krankenhaus mit sehr freundlichen Mitarbeiter*innen. Mit wurde keine unangenehme Geburtsposition und kein Kaiserschnitt aufgezwungen, mein Wunsch nach einer möglichst natürlichen Geburt wurde mir nicht verweigert. Es wurden keine unnötigen medizinischen Eingriffe an mir vorgenommen. Mir wurde nicht sofort nach der Geburt gesagt ich würde das Baby falsch halten. Meine engsten Familienangehörigen wurden nicht weggeschickt weil es nach Auffassung des Krankenhauspersonals zu viele waren. Ich konnte die ganze Zeit bei meinem Baby sein und es auch bald mit nach Hause nehmen. Niemand zweifelte an, dass mein Baby meins ist.
All das ist Freund*innen und Bekannten passiert, die in den letzten Jahren entbunden haben. Weißen nichtmigrierten verheirateten Großstadtbewohner*innen zwischen 25 und 35 die nicht behindert werden seltener als anderen.
Alle sagen doch immer, eine Geburt sei so anstrengend. Stimmt auch, es war aber auch nicht das Anstrengendste was ich jemals gemacht habe. Zumindest nicht ohne den unnötigen Stress darumherum.
Weiterlesen
- Missy: „Unter weissen Kitteln“ über Rassismus im Kreißsaal
- Barrierefreie gynäkologische Versorgung für Frauen mit Behinderung
- Netzwerk Reproduktive Gerechtigkeit
- Roses Revolution gegen Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe (super Anliegen, leider scheinen diskriminierungskritische Perspektiven weitgehend zu fehlen)
- Gynformation: empfohlene Gynäkolog*innen aus queer-feministischer Perspektive